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2. Reisebericht von David Straub

Das wird ein langer Bericht. Und dabei konzentriere ich mich noch auf eine kleine Auswahl der Dinge, die ich persönlich miterlebt habe – tatsächlich haben auch diesen Monat wieder die anderen Verantwortlichen, ganz besonders Anke Brügmann, Tag und Nacht geschuftet, um die Schule am Laufen zu halten, Kranke zu versorgen, Bauprojekte voranzubringen, die Bilanzen zu prüfen, …


01.05.2022

Zeugnisausgabe für die Klassen 3-6.


02.05.2022

Erster Besuch in der Berufsschule in Jeremie, wo bereits vor vielen Monaten ein Container der gut mit uns befreundeten Organisation Pro Haiti angekommen ist, in dem wir einiges Material mittransportieren durften. Der Fluss steht aber noch zu hoch, um einen Laster rüberzubringen. Zumindest können wir dringend für das Waisenhaus benötigte Lebensmittel nach Beaumont transportieren.




Seit dem letzten Erdbeben ist die Brücke über diesen Fluss schwer beschädigt, sie trägt nur noch Fußgänger und Motorradfahrer. Ein Lastwagentransport ist daher nur möglich, wenn das Wasser tief genug steht, und anschließend muss ein Ölwechsel erfolgen.


03.-06.05.2022

Mit Gerard und Pantal, den Angestellten der Propangastankstelle, wird das Verkaufsbuch durchgegangen und mit den Quittungen verglichen. Alle Verkäufe werden in eine neue Tabelle eingetragen, erhalten eine neue Nummer und werden auf ihre Gültigkeit überprüft. Es bleibt ein großer Betrag übrig, der im Dezember in der Kasse hätte sein müssen, es aber nicht war, was wir bis zur Jahreshauptversammlung unbedingt klären müssen.


07.-08.05.2022

Am Abend bricht ein Feuer im benachbarten Grundstück aus, in der Nähe der Container. Die Flammen stehen teils drei Meter hoch. Durch stundenlanges Wasserschleppen kann ein Übertritt auf unser Gelände glücklicherweise verhindert werden.


09.05.2022

Der Containerinhalt wird auf Vollständigkeit geprüft und auf einen von Hugos Lastern geladen, der sich auf den Weg nach Beaumont macht. Am späten Nachmittag ist endlich alles – vorläufig – im Waisenhaus verstaut. Auch hier noch einmal einen großen Dank an Pro Haiti für die wiederholte Unterstützung.




Der Lastwagen von Hugos Firma « Sweet Love ». Ich würde mir auch auf deutschen Autobahnen so viel Gestaltungsfreude wünschen.



Der Containerinhalt im Eingangsbereich nach Kategorien aufgeteilt. Die EWB haben besonders viel mitgeschickt, u.a. einen gewaltigen Betonmischer.


12.05.2022

Plötzlich stehen die Schulinspektoren mit mitgebrachtem Essen vor der Tür. In den Sciences der 2. Klasse stellen die Lehrer plötzlich fest, dass sie ja heute einen Film über die Säugetiere zeigen sollten, was ich dann technisch bewerkstelligen muss. Frau Dr. Brügmann arbeitet weiterhin an der Buchhaltung. Auf der Baustelle werden die schweren Dachverbinder hochgehievt.




Nur noch 10 weitere...


14.05.2022

Jahreshauptversammlung. Die Internetverbindung schwankt wie immer stark, wir haben aber insgesamt Glück und können unser Programm durchziehen, besonders den Rundgang über das Gelände, bei dem wir von einer Schar von Kindern gefolgt werden. Die Gäste am anderen Ende der Welt freuen sich über die direkten Einblicke in unsere Arbeit : seien Sie das nächste Mal auch mit dabei !

In der Zwischenzeit einige Impressionen aus dem Projektalltag :




Valleur zeigt mir in Nan Ginen die Landwirtschaft mit den Jugendlichen. Als erstes wird ein beachtlicher Lautsprecher auf das Feld gezogen und haitianische Clubmusik eingeschaltet. Als alle Aufgaben verteilt sind, arbeiten etwa eine halbe Stunde alle konzentriert mit, dann ist die Arbeit erledigt. Es wurden Kräuter in Reihen gepflanzt.



Wir schauen Intouchables in Nan Ginen. Der Humor funktioniert offensichtlich (und die französischen Kraftausdrücke kommen auch sehr gut an)




Addition, Substraktion, Multiplikation und Division mit Steinen und Kreide auf dem Betonfußboden. Oft können die Kinder auf dem Papier rechnen, ohne zu verstehen, was das bedeutet. Bei den Textaufgaben kommen sie dann in Schwierigkeiten.




Den ganzen Monat über gibt es immer wieder Entbindungen. Hier sind zwei Frauen am selben Abend gekommen und entbinden fast gleichzeitig um 04:00.


18.05.2022

Nationalfeiertag. Gefeiert wird die Flagge Haitis, dazu gibt es pseudomilitärische Umzüge in Uniform, mit Gewehrattrapen und patriotischen Gesängen. Vor allem gibt es schulfrei, was wir nutzen, um mit unseren jungen Menschen aus Nan Ginen einen Ausflug zum Rivière Glace zu machen, einem malerischen Flusstal ca. 20min Fahrtzeit entfernt. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen freuen sich sichtlich, endlich einmal rauszukommen, sie tratschen und witzeln ausgelassen und springen ins Wasser. Nach einer Kletterpartie flussaufwärts erreichen wir sogar eine richtige Höhle mit Stalaktiten und Stalagmiten.








19.05.2022

Der deutsche Botschafter in Haiti, Jens Kraus-Massé, besucht unser Projekt zum zweiten Mal. Bei der langen Fahrtzeit von Port-au-Prince, dem knappen Zeitplan eines Botschafters und der gefährlichen politischen Situation ist das ein riesiges Zeichen der Wertschätzung für uns. Er besichtigt das Waisenhaus, die Schule, die Propangastankstelle und die Häuser der Erdbebenhilfe ; letztere beide Projekte wurden maßgeblich von der deutschen Botschaft finanziert. Wir freuen uns schon auf den nächsten Besuch.




Jens Kraus-Massé im Gespräch mit einer Schülerin, deren Familie nach dem Erdbeben 2021 dank Pwojè men kontre ein Dach über dem Kopf bekommen hatte.



Besuch der geförderten Propangastankstele mit regem Erfahrungs- und Ideenaustausch.


20.05.2022

Besprechung der Bauprojekte mit Jean-Vanex, Stanley, Hugo Bazile : Wie können unsere führenden Bauleute Stanley und Jean-Vanex zukünftig eingesetzt werden, nachdem sie sich mit ihrem ersten eigenständig gebauten Schulhaus bewährt haben ?

Wie fast jeden Freitag findet eine Lehrerkonferenz statt, und weil unsere Schule derzeit auf zwei Standorte verteilt ist, fahre ich zwei Ladungen Lehrer nach unten , was diese immer unterhaltsam finden.


22.05.2022

Großer Schulwettbewerb : Cassandre, Dieuné und Dieuseul sind im Finale ! Mit 3 von 7 Teammitgliedern ist unser Waisenhaus im Team des Lycée « La Providence » deutlich überrepräsentiert. Aus 5 Schulfächern werden offene Fragen, Richtig/Falsch und Mehrfachauswahlfragen gestellt, es antwortet immer das Teammitglied, das die Antwort zu wissen glaubt. Anfangs ist es in Kreyòl und Mathematik sehr spannend, denn auch die Konkurrenten des Lycée « « sind sehr stark. Dann gewinnen « unsere » Mädchen und Jungs aber ganz deutlich.


Am Abend kommt ein junger Mann in die Ambulanz, der sich mit einer Machete eine Sehne am Fuß durchtrennt hat. Machetenunfälle sind leider nicht selten. Ein anderer junger Mann wird über mehrere Tage wegen eitriger Wunden am ganzen Oberschenkel versorgt, die er zuvor wochenlang unbehandelt herumgetragen hatte.




Der Wettbewerb beginnt in der Stadt mit einem Fahnenumzug der beiden Teams. Im Hintergrund fährt ein Auto mit einem Lautsprecher auf dem Dach, aus dem Marschmusik bläst.



« Unsere » Sonie Joseph auf einem der Ehrenplätze. Sie wird später einige der Medaillen überreichen.



Banges Warten, ob die Antwort richtig war.



Die Fankurve von « La Providence ».



Es gab einen glänzenden Pokal und pro Mitglied einen kleinen Laptop zu gewinnen. Ein riesiger Anreiz, auch im Vergleich zum zweiten Platz (Französischwörterbücher und Taschenrechner).


24.05.2022

Nachdem diesen Monat der Putz, das Dach und die Fenster im neuesten Klassenzimmer gemacht wurden und somit der Bau im Wesentlichen steht, kann das andere, bereits im April komplettierte Klassenzimmer für die 6. Klasse in Betrieb genommen werden.

Mit Jean-Vanex, Stanley und Hugues Bazile machen wir einen Rundgang über das Gelände, um anstehende Instandhaltungsaufgaben zu besprechen. Es gibt eine ganze Menge zu tun, z.B. muss Stacheldraht ausgebessert werden, Holzwände zum Schutz gegen Tiere und Feuchtigkeit gestrichen werden, durch die Regenfälle angeschwemmte Erde muss von den Häusern abgegraben werden, ein Wasserbehälter muss geflickt werden, ein neues Küchenregal muss her, Möbel müssen repariert werden, usw., usw.




Erster Tag der 6. Klasse, vorher noch in Nan Ginen, im neuen Klassenzimmer in Fontrankil. Leider sind in diesem Jahrgang viele Schüler auf dem Weg, durchzufallen, so dass Anke Brügmann hier gerade ankündigt, dass sie täglich um 13.00 Nachhilfe für die Wackelkanditaten geben wird.




Hugo Bazile bespricht anstehende Aufgaben für die Wasseraufbereitung in Fontrankil mit den Bauleuten.


26.05.2022

Diesmal nehmen wir Kinder aus Fontrankil mit an eine andere Badestelle am Rivière Glace. Ein richtiges kleines Abenteuer mit Kletterpartien, Wasserfällen und einer sehr respekteinflößenden schwarzen Kuh.






Kontakt und Auseinandersetzung mit der Natur im eigenen Land, anstatt eingesperrt hinter Handy und Stacheldraht ; das bekommen die Kinder in Haiti viel zu selten.


27.05.2022

Wir fahren Müll weg und holen neues Gas. Während der Betriebsstunden der Ambulanz fällt der Strom in der großen Halle aus, wir können den Grund nicht finden. Da es schon spät wird, verlegen wir Kabel für eine Lampe und den Kühlschrank, damit die Medikamente nicht verderben.


HANDY !



Wenn unsere Behälter voll sind, ist unsere einzige Möglichkeit die städtische Müllhalde. Eine vernünftige Müllverbrennungs/verarbeitungsanlage hätte einen großen Nutzen für die Gesundheit der Anwohner, die regionale ebenso wie die globale Umwelt. Wir, und womöglich auch Politik und Großspender, würden ein solches Projekt tatkräftig unterstützen, brauchen dafür aber jemanden, der die Führung übernimmt und über das nötige Fachwissen oder entsprechende Kontakte verfügt. Vielleicht Sie ?




Pantal, Ehemaliger aus dem Waisenhaus und jetzt Angestellter unserer Propangastankstelle, füllt die Behälter der Waisenhausküche auf. Durch das Projekt machen wir zwar keinen Profit, sparen aber in der eigenen Energieversorgung so viel ein, wie vier ausgeben, und wir versorgen die Umbegung mit einem umweltfreundlicheren, praktischeren Brennstoff.


28.05.2022

Der Strom wird durch einen örtlichen Elektriker wieder in Gang gebracht; ein kleines Kabel in der Sicherung wird ersetzt.

Am Abend erscheinen Flammen auf dem Tet Teleko, dem Berg, der dem Waisenhaus gegenüberliegt. Wir versuchen Hilfe zu mobilisieren, doch es ist Wochenende, und viele Mitarbeiter sind nicht erreichbar. Auch auf Nachbarschaftshilfe können wir nicht hoffen ; die Feuer werden als jährliche Gegebenheit hingenommen. Alleine gegen die Flammen anzukämpfen ist unrealistisch : Zu breit ist die Wand aus Flammen, zu steil der Berg, um dort Fuß zu fassen.

Etwa 2 Stunden später ist das Feuer ist so nahe gekommen, dass es sich sprunghaft ausbreiten und durch Funkenflug oder ganz direkt das Waisenhaus bedrohen könnte. Wir entschließen uns daher, Kinder, Patientinnen und Betreuerinnen nach Nan Ginen zu evakuieren. Anke Brügmann und ich verbleiben in Fontrankil.




Das Feuer vom Verantwortlichenhaus aus.




Die Höhe der Flammen wird auf diese Entfernung nicht direkt sichtbar, aber durch den Vergleich mit anderen Landmerkmalen lässt sie sich auf ca. 2-3m einschätzen, in Einzelfällen auch höher.




Zwischenzeitlich flaut das Feuer ab und man hofft, dass es gänzlich erstirbt. Dann flammt es aber wieder auf. Letztlich brennt es die ganze Nacht.




Auf dem abgebrannten Berg. In allen Richtungen sieht es genauso aus. Rot markiert ist das Gelände mit unserem Waisenhaus.




Was von der Vegetation übrig ist.


Verloren haben wir wieder etwa 2/3 von unseren 9ha Aufforstungsland, wo immerhin schon ein paar kleinere Bäume und Sträucher hochgekommen waren. Die insgesamt vernichtete Vegetationsfläche ist um ein Vielfaches größer. Ursache ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das absichtsvolle Abbrennen von Steilhangfeldern, welches in der Landwirtschaft Haitis weiterhin üblich ist.

29.05.2022

Ich fahre die Kinder zurück nach Fontrankil. Gegen Mittag fahren Anke Brügmann und ich nach Les Cayes, um bei den von uns versorgten Studenten Informationen einzuholen. Anke klärt viele organisatorische Fragen, verteilt Geld und setzt sich mit einigen Studenten für vertrauliche Gespräche zusammen. Ich führe Interviews für die Berichte und mache Fotos.




Unsere Studenten pflegen die Anlage makellos und haben sie in Eigeninitiatve durch einen Geflügelstall, eine Baumschule, Blumenbeete und manch anderes erweitert.


30.05.2022

Nachdem länger kein Regen gefallen ist und die Zisternen nicht rechtzeitig mit Wasser aus der Quelle aufgefüllt wurden, müssen wir heute feststellen, dass fast keines mehr da ist und wir, wie so oft, von der Wasserversorgung abgeschnitten sind, weil es ein Problem in Richtung Quellfassung gibt. Wir müssen Wasser sparen und hoffen, dass wir den Schaden bald identifizieren und beheben können.


31.05.2022

Am Abend will ich auf den Tet Teleko, um die Verwüstung nach dem Brand zu fotografieren. Just in diesem Moment wird dort auch Rauch gesichtet. Ich gehe bis auf die Spitze, um von dort nach unten zur Rauchquelle zu klettern, was aber nicht gelingt – zu dicht wird ab einem gewissen Punkt die Vegetation. Dummerweise verliere ich bei der Aktion mein Walkie-Talkie, bringe aber dafür eine ganze Menge Ruß, Kohle und Kratzer mit. Wenigstens brennt nichts mehr.




Der Autor dieses Berichts (Abweichungen in der Farbgebung sind möglich)



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